Seit dem 25. Mai 2018 gilt die EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Experten befürchten, dass Abmahnanwälte das neue Datenschutzrecht dazu nutzen könnten, um aus tatsächlichen oder vermeintlichen Verstößen gegen die DSGVO ein „Geschäftsmodell“ zu machen und  insbesondere fehlende oder unzureichende Datenschutzinformationen auf Internetauftritten nutzen. Schon kurz nach der Geltung der DSGVO hatten einzelne Anwälte bereits Abmahnungen wegen tatsächlichen oder vermeintlichen Datenschutzverstößen verschickt.

Deutsche Gerichte sind sich uneins, wenn es um die Frage geht, ob Verstöße gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) abmahnfähig sind. Bisher sind zwei Urteile mit sehr unterschiedlichem Ergebnis von Landgerichten zur Abmahnfähigkeit von DSGVO-Verstößen ergangen. Das Landgericht Würzburg hat als wohl erstes deutsches Gericht eine Abmahnbarkeit von DSGVO-Verstößen auf Internetseiten festgestellt (LG Würzburg, Beschluss vom 13.09.2018, Az. 11 O 1741/18 UWG). Das Landgericht Bochum geht dagegen davon aus, dass Verstöße gegen Artikel 13 DSGVO nicht von Mitbewerbern abgemahnt werden können (LG Bochum, Urteil vom 07.08.2018, Az. I-12 O 85/1.

Als erstes Oberlandesgericht sollte Hamburg dazu entscheiden. Es kommt darauf an, sagen die Hamburger Richter (OLG Hamburg, Urteil vom 25. Oktober 2018, Az. 3 U 66/17).

Inhalt der Entscheidung

Ende Oktober hat das OLG Hamburg im Fall zweier Pharmaunternehmen entschieden, die sich wegen Verstößen gegen das Datenschutzrecht gegenseitig verklagt hatten. Teile der Entscheidung werden unter Juristen im Netz bereits heiß diskutiert. Das OLG stellt sich auf einen vermittelnden Standpunkt. Es vertritt die Auffassung, dass die jeweilige Norm der DSGVO im Einzelfall konkret darauf zu prüfen ist ob sie eine Marktverhaltensregel zum Gegenstand hat. Ist das der Fall, können Mitwerber Verstöße nach Einschätzung der Hamburger Richter wettbewerbsrechtlich abmahnen.

Warum ist die OLG-Entscheidung überhaupt relevant?

Das erstinstanzliche Urteil hat das Landgericht Hamburg im Fall der Pharmaunternehmen bereits im März 2017 gefällt – also mehr als ein Jahr bevor die Datenschutzgrundverordnung europaweit verbindlich wurde.  Unterlassungsansprüche sind in die Zukunft gerichtet. Sie müssen daher immer anhand der Normen geprüft werden, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung gelten.

Was schützt das UWG und was ist ein Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht?

Ziel des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) ist grundsätzlich, den freien, unverfälschten Wettbewerb zu schützen. Dagegen verstoßen nach § 3a UWG alle, die sich mit einem Rechtsverstoß einen Vorteil gegenüber ihrer Konkurrenz verschaffen, z.B., in dem sie Kosten zur Erfüllung der Schutzzwecke eines Gesetzes ersparen.

Entscheidend bei DSGVO-Verstößen nach Einschätzung der Hamburger Richter ist, ob sich Unternehmer durch diesen Rechtsverstoß im Einzelfall einen Wettbewerbsvorteil gegenüber ihrer Konkurrenz verschafft haben. Wenn das zu bejahen ist, können Mitbewerber Verstöße gegen § 3a UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) abmahnen.

Bei der Prüfung ist nicht nur das UWG relevant. Auch mit Verstößen gegen andere Gesetze oder EU-Normen können sich Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Das öffnet Abmahnern theoretisch ein breites Feld, doch in der Praxis ist nicht jedes Gesetz wettbewerbsrechtlich relevant. Bei Verstößen gegen die DSGVO muss nach Einschätzung der Hamburger Richter deshalb im Einzelfall geprüft werden, ob sich Unternehmer durch den Rechtsverstoß einen Wettbewerbsvorteil gegenüber ihrer Konkurrenz verschafft haben. Nur dann könnten Mitbewerber Verstöße über § 3a UWG abmahnen.

Was bedeutet das Urteil des OLG Hamburg für die Praxis?

Für die Praxis beantwortet das Urteil des OLG Hamburg relativ wenig, solange von der Rechtsprechung nicht abschließend geklärt ist, ob eine bestimmte Regelung der DSGVO eine Marktverhaltensregelung darstellt oder nicht. Mehrere deutsche Gerichte hatten nämlich zur alten BDSG-Rechtslage entschieden, dass der seinerzeit maßgebliche § 13 TMG eine Marktverhaltensregelung darstellt, nicht nur eine Ordnungsvorschrift (vgl. OLG Hamburg, Urteil vom 27.06.2013, 3 U 26/12; LG Köln, Beschluss vom 26.11.2015, Az. 33 O 230/15; LG Hamburg, Beschluss vom 07.01.2016, 315 O 550/15).

Im Wettbewerbsrecht gilt das Prinzip der Eilbedürftigkeit. Daher wird in der Regel in Eilverfahren entschieden, deren Instanzenzug spätestens beim Oberlandesgericht endet. Das höchste Gericht in Zivilsachen, der Bundesgerichtshof (BGH), kann so nicht erreicht werden. Das ist nur mit einem Hauptverfahren möglich, das durch alle Instanzen geht. Ob Mitbewerber Unterlasssungsansprüche gegen Konkurrenten wegen DSGVO-Verstößen (z.B. in Gestalt fehlender oder fehlerhafter Datenschutzerklärungen) geltend machen können, weiß aktuell mit Sicherheit niemand. Es mag also sein, dass deutsche Gerichte in den nächsten Monaten oder erst Jahren (ggf. nach mehreren Instanzen mit entsprechendem Kostenrisiko) zu dem Ergebnis gelangen, dass keine Unterlassungsansprüche bestehen. Auch der Gesetzgeber nimmt dieses Risiko ernst und arbeitet an einem Gesetzentwurf gegen missbräuchliche Abmahnungen.

Andererseits ist dies kein „Freibrief“, die Umsetzung der DSGVO „schleifen zu lassen“: So könnte ein Wettbewerber z.B. als „verkappter“ Kunde zum Betroffenen „migrieren“ und dann Rechte aus Art. 15 ff DSGVO geltend machen bzw. Fehler über die Aufsichtsbehörden verfolgen lassen.

Autor: Thomas Hofer, Leiter der Rechtsinformatik an der Juristischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München

 

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